Austerdalsbreen, Foto: Jörg Hempel, CC BY-SA 3.0de
„The finest ice scenery in Europe" war ein Ausspruch von William C. Slingsby, als er 1894 den Austerdalsbreen, einen Seitenarm des gewaltigen Jostedalsbreen, entdeckte. Er war zu seiner Zeit einer der bekanntesten englischen Bergsteiger und ein Pionier des Klettersports in Norwegen.
Diese Worte von Slingsby gelten wohl ohne Zweifel heute noch und treffen auch auf das komplette Areal des Jostedalsbreen zu, der mit seiner Gesamtfläche von ca. 487 km² die größte zusammenhängende Eismasse des europäischen Festlandes darstellt.
Im Jahr 1894 waren es William C. Slingsby und der norwegische Bergpionier Kristian M. Bing, die als erste unabhängig voneinander den Jostedalsbreen überquerten.
Das gesamte Gebiet des Jostedalsbreen ist umgeben von einer einzigartigen Fjord- und Hochgebirgswelt. Ganz egal aus welcher Himmelsrichtung man kommt, um die weißen Eisriesen zu bestaunen, es verschlägt einem förmlich den Atem auf dem Weg dorthin.
Es ist die unglaubliche Schönheit der Natur, die dich hier fest umarmt und scheinbar nicht mehr loslassen will - die Mächtigkeit der steilen, dich umgebenden Berge, die kristallklaren, blau funkelnden Fjorde, die smaragdgrün leuchtenden Seen oder die idyllisch gelegenen Täler mit ihren kleinen, bunten Höfen, umgeben von saftig grünen Sommerwiesen, auf denen Tausende von Wildblumen sprießen, Kühe friedvoll grasen und im Hintergrund die leuchtend weiß und blau schimmernden Gletscherzungen ihre Fühler ausstrecken.
Panoramen, die man ihrer Großartigkeit wegen für immer im Gedächtnis behalten wird.
Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Berg- und Skisport in Norwegen recht schnell zu einem Volkssport, der immer mehr Anhänger fand.
Heute ist das Friluftsliv - das „Freiluftleben", ein fest verankerter Bestandteil der norwegischen Seele.
Waren es im besonderen der Erfinder des Telemarkski Sondre Norheim (s. dazu auch den Blog Telemark - Mehr als nur eine norwegische Region) und der Polarforscher Fridtjof Nansen, die den Skisport in Norwegen vorantrieben, so taten sich im Berg-und Klettersport die Engländer William C. Slingsby und Charles W. Patchell sowie der Norweger Kristian Bing hervor. Allein Slingsby unternahm zwischen 1872 und 1921 ganze 160 Erstbesteigungen in den norwegischen Bergen.
Diese Unternehmungen waren zu damaliger Zeit wirkliche Heldentaten und sportliche Meisterleistungen zugleich. Man ehrte all diese Pioniere, in dem man verschiedene Berge, Gletscher, Wanderhütten und Schiffe in Norwegen nach ihnen benannte. Bis heute sind sie Vorbilder geblieben.
Mit seiner Gesamtfläche von rund 487 km² und einer max. Eisdicke von 500-600 m, erstreckt sich der Jostedalsbreen von SW nach NO über eine Länge von etwa 60 km und eine Breite von 5-15 km. Die kleineren und größeren Gletscher der Umgebung mitgerechnet, ergibt sich eine Gesamtfläche von rund 800 km². Im Jahr 1991 wurde der „Nationalpark Jostedalsbreen" errichtet und damit seine einmalige Landschaft unter dauerhaften Schutz gestellt.
Ganze 28 sog. Auslassgletscher schieben sich vom Plateau des Jostedalsbreen in verschiedenen Richtungen hinab in die Täler, wobei sich der Höhenbereich des Eises zwischen etwa 300 m bis 2000 m über NN befindet. Die tiefste Eisgrenze liegt am Supphellebreen bei rund 60 m über NN.
Der höchste Punkt des Gletschers befindet sich am Høgste Breakulen auf 1.952 m Höhe. Der Gipfel des Lodalskåpa, ein sog. Nunatak, ragt mit 2.083 m als höchster Punkt aus dem gesamten Gletschermassiv heraus.
Nigardsbreen, Foto: Pjacklam, CC BY 2.5
Teils zahm und glattgestrichen wie Eiskrem, die ins Tal fließt, teils wild ineinander verschlungen oder aufgerissen, so zeigen sich die riesigen Eisgebilde, die zugleich erhabend schön in allen möglichen Weiss- und Blautönen hier dominieren und andererseits auch fast unheimlich und mahnend wirken können.
Trotz allerlei technischer Hilfsmittel und Hightech-Outdoorbekleidung, die uns heutzutage zur Verfügung steht, stellen Touren in der norwegischen Berg- und Gletscherwelt immer noch besondere Herausforderungen bereit und sollten immer gut ausgerüstet und nur mit entsprechender Erfahrung unternommen werden.
Etliche Gletscherzungen sind über Pfade durch kürzere oder auch längere Wanderungen gut erreichbar, einige sind spektakulär schon von weitem aus der Entfernung zu bewundern und wiederum andere verstecken sich in engen Tälern und präsentieren ihre Schönheit erst aus der Nähe.
Die meist besuchten Hauptattraktionen sind die Gletscher Nigardsbreen im Jostedalen und Briksdalsbreen im Oldedalen. Zu beiden führt ein gut begehbarer Wanderweg von je etwa 1 Stunde Dauer. Weitere populäre Ziele sind u.a. Austerdalsbreen und Bergsetbreen auf der Ostseite, Bøyabreen, Supphellebreen und Flatbreen auf der Südseite, sowie Kjenndalsbreen, Brenndalsbreen und Bødalsbreen, auf der Westseite.
Alle Wanderungen sind entsprechend der Lage des jeweiligen Gletschers, unterschiedlich in Schwierigkeitsgrad und Länge, die Wanderzeiten liegen zwischen etwa 1-4 Stunden h/r.
Gletscher sind in Bewegung, daher ist es wichtig, immer sicheren Abstand zu wahren, die Warnschilder vor Ort zu beachten und das Eis am Besten nur mit einer geführten Tour betreten!
Es gibt drei Besucherzentren rund um den Gletscher, Breheimsenteret im Jostedalen, Norsk bremuseum in Fjærland und Jostedalsbreen nasjonalparksenter in Oppstryn. Hier wird in sehr anschaulicher Weise die Region mit ihrer Natur, Geschichte und Kultur vorgestellt.
Lokale Akteure bieten zudem verschiedene touristische Ausflugsmöglichkeiten, wie u.a. Gletscherwanderungen und Kajaktouren auf Gletscherseen an. Die Krönung ist „Josten på langs", eine geführte Tour, bei der der Gletscher in Längsrichtung mit Ski, Rucksack und Zelt in einer 3-tägigen Wanderung überquert wird. Sie gehört mit zu den spektakulärsten Touren, die man in Norwegen unternehmen kann.
Fotogalerie
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Über die Eismassen gingen in früherer Zeit mehrere Transportwege, welche so gut wie die einzigen Verbindungen zwischen den verschiedenen Dörfern und Tälern beidseitig des Gletschers darstellten.
Es war oftmals mit großen Anstrengungen und Gefahren verbunden, die langen Strecken aus den Tälern bergauf und weiter über das Eis zurückzulegen, um sich gegenseitig zu besuchen, eine Hochzeit zu feiern, zu handeln oder auch um Vieh zu verkaufen. Diese Pfade waren sehr wichtig, waren die Wege per Boot über die Fjorde doch oft wesentlich länger und nicht ungefährlicher und Landwege gab es so gut wie noch nicht.
Durch die geografische Trennung und Abgeschiedenheit der einzelnen Dörfer entstanden verschiedene Dialekte. Ein besonderer, bis heute bestehender Dialekt, ist der sog. Jostedalen-Dialekt. Dieser entwickelte sich durch die engen Verbindungen zwischen den Bewohnern des Tals Jostedalen, östlich des Gletschers gelegen und den Bewohnern der Nordfjordregion, welche sich nordwestlich des Jostedalsbreen befindet.
Hinzu kommt noch, dass ab Ende des 16. Jahrhunderts, sich in dem bis dato so gut wie ausgestorbenen, menschenleeren Tal (bedingt durch die Pest um 1350) wieder allmählich neue Bewohner ansiedelten, welche vielfach aus der Region um den Nordfjord kamen und sich so besonders in den oberen Weilern des Jostedalen dieser spezielle Dialekt herausbildete.
Die letzte Kaltzeit (glaziäre Eiszeit) endete in etwa vor 11.700 Jahren. Ihre Vergletscherungen bedeckten den nördlichen Teil Eurasiens und Nordamerika mit riesigen Eismassen, die teilweise bis zu mehreren Kilometern dick waren.
Waren in der letzten Kaltzeit 32 % der Landflächen der Erde mit Eis bedeckt, so sind es heute noch rund 10%. Der sog. fennoskandische Eisschild bedeckte die ganze Skandinavische Halbinsel sowie Finnland, Karelien und die Halbinsel Kola. Während der verschiedenen Kaltzeiten des Quartärs gelangten die Eismassen mit ihrem jüngsten Vorstoß vor ca. 18.000 Jahren bis südlich des heutigen Berlins.
Norwegen besitzt heute in etwa 2.500 Gletscher, die eine Gesamtfläche von rund 2.700 km² der Landesfläche mit Eis bedecken.
Dieses ist im Schnitt 1.000-2.000 Jahre alt und ist somit nicht, wie oft irrtümlich angenommen, ein Überbleibsel aus der letzten Eiszeit von vor über 10.000 Jahren. Die meisten Gletscher Norwegens waren schon in der postglazialen Warmzeit vor rund 7.500-6.000 Jahren abgeschmolzen.
Während der sog. kleinen Eiszeit nahmen in den Jahren von 1720-1750 etliche norwegische Gletscher wieder bedeutend an Größe zu und einige zerstörten dabei sogar mehrere Höfe. Nach diesem Zeitraum zogen sich die meisten Gletscher wieder zurück, bis von einigen kurzen zwischenzeitlichen Vorstößen abgesehen, die besonders in West-Norwegen in den 1990er Jahren stattfanden. Seit dem Jahr 2000 ist wiederum ein verstärkter Rückgang zu verzeichnen, was mittlerweile auf den Klimawechsel und besonders die letzten Jahre mit ihren überaus warmen Sommern zurückzuführen ist. Zwei der bekanntesten Arme des Jostedalsbreen, der Nigardsbreen und der Briksdalsbreen, schrumpften in den letzten 2 Jahrzehnten bereits um rund 300 bzw. 800 Meter Länge.
Karte
Fakten und Zahlen
Lage: Kommune Luster, Sogndal, Jølster, Stryn, Skjåk / Fylker Vestlandet, Innlandet
Orte: Gaupne, Hafslo, Fjærland, Skei, Olden, Loen, Stryn, Dønfoss
Fjordregion: Lustrafjorden, Fjærlandsfjorden, Nordfjord
Gebirgsregionen: Jostedalsbreen NP, Breheimen NP
Wanderkarte: Jostedalsbreen 1:50.000, Verlag Nordeca Jostedalsbreen nasjonalpark 1:50.000, Verlag Nordeca
Anreisemöglichkeiten
Mit dem Auto
Oslo - Jostedalen/Breheimsenteret, 375 Km, ca. 6 h
Bergen - Jostedalen/Breheimsenteret, 300 Km, ca. 5 h
Oslo - Sogndal, 315 km, ca. 5 h
Sogndal - Loen, 130 km, ca. 2 h
Ålesund - Loen, 140 Km, ca. 2 h 30
Mit dem Flugzeug
Oslo - Ørsta/Volda, Widerøe
Oslo - Førde, Widerøe
Oslo - Sogndal, Widerøe
Mit dem Schiff
Fähre Fodnes-Manheller, Richtung Sogndal, Fjærland, Jostedalen
Fähre Vangsnes-Hella, Richtung Sogndal, Jostedalen, Fjærland,
Cruiseboot Balestrand-Fjærland (Sommer)
Links
www.jostedalsbre.no
www.jostedalsbreen.org
www.visitflam.com/de/activities/fjord-cruise-fjaerlandsfjord
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